Bild: Privat
Das Projekt Hephaestus gibt einen Ausblick auf die Baustelle der Zukunft. Ein Konsortium aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen hat einen Seilroboter entwickelt, der verschiedene Tätigkeiten auf der Baustelle übernehmen kann. Professor Thomas Bock und sein Team waren für die wissenschaftliche und technische Leitung des Projekts verantwortlich.
Herr Bock, warum brauchen wir Roboter auf der Baustelle?
Sie müssen sich ja nur die aktuelle Situation anschauen. Die Wohnungsnot und die explodierenden Mieten. Ich habe früher in Stuttgart studiert und lebe jetzt in München. Das ist ja Wahnsinn, was man in diesen Städten zahlen muss. Und durch die energieeffiziente Sanierung, die jetzt von der Bundesregierung vorangetrieben wird, wird das Bauen noch mal teurer. Weil der handwerkliche Anteil und somit der Lohnkostenanteil noch größer wird. Daher brauchen wir einen Innovationsschub. Und wir brauchen Industrialisierung durch Automatisierung mit Robotik.
Aber ist denn das Bauen mit Robotern kostengünstiger?
Sie haben zwar zunächst höhere Kosten, weil der Einsatz des Roboters teurer ist. So eine Maschine ist ja komplex. Doch diese Mehrkosten werden durch die Geschwindigkeit kompensiert. So ein Hochhaus beispielsweise kostet ja so viel wie ein Flugzeug – 100 oder 200 Millionen Euro. Und je schneller sie fertig werden, desto größer ist natürlich der Nutzen der Automatisierung. Diese langen Baustellen, wie wir sie in Deutschland haben, sind ja ein finanzielles Desaster – auch für den Steuerzahler. Aber bisher bemerkt das niemand so richtig, sonst würden die Leute auf die Barrikaden gehen. Hinzukommt, dass man mit Robotern die Unfälle auf der Baustelle reduziert. Im Bauwesen gibt es sehr viele Unfälle und Berufskrankheiten. Die Leute arbeiten sich ja eigentlich kaputt. Insofern ist es einfach eine Frage, wie man die Kosten bemisst.
“Wir arbeiten in einem Nachfolgeprojekt daran, das System quasi zu tunen”
Ist es denn mit dem Hephaestus-Roboter möglich, schneller zu bauen?
Im Moment arbeitet das System noch relativ langsam. Aber das ist ja immer so mit Prototypen. Wir arbeiten nun in einem Nachfolgeprojekt daran, das System quasi zu tunen – also es schneller zu machen. Es geht darum, die gesamten Abläufe zu optimieren, zum Beispiel die acht Kabel besser miteinander zu synchronisieren.
Was wäre dann möglich?
Wahrscheinlich wäre es optimal, wenn spezialisierte Dienstleister den Roboter einsetzen, um das System effizient zu nutzen. Dann könnte der Roboter tagsüber an einem Gebäude eine bestimmte Tätigkeit verrichten. Und über Nacht würde man ihn an einen anderen Einsatzort bringen, wo er am nächsten Tag weiter arbeitet. So wäre das System ständig im Einsatz und würde sich rechnen. Dank Automatisierung könnte das Bauen in der Zukunft so aussehen, dass Sie als Bauherr Ihren Jahresurlaub nehmen, während das alte Haus abgerissen und das neue wird gebaut wird. Wenn sie zurück sind, können Sie einziehen. Doch dafür müssen wir das Bauen grundsätzlich anders denken.

Bild: Dr.-ing. Kepa Ituralde, EU Projekt Hephaestus Tecnalia
Was heißt das?
Man muss die gesamten Abläufe ändern. Und die Peripherie. Das ist fast noch wichtiger als der Roboter an sich. Wir brauche eine ähnliche Entwicklung wie beim Auto. Das erste Auto war ja im Grunde eine Pferdekutsche ohne Pferd. Das hat alles nicht so gut funktioniert, denn man musste den Sprit in der Apotheke kaufen, es gab noch keine Straßen, kein Tankstellennetz und so weiter. Erst als dies alles aufgebaut wurde, kam es zum Innovations-Sprung. So ist es auch bei der Baurobotik. Wir müssen die Art und Weise, wie wir bauen, die Prozesse verändern. Erst dann wird es zum Durchbruch kommen.
“Die Architekten müssen anders planen”
Was bedeutet das genau?
Die Architekten müssen anders planen. Bisher läuft es ja so: Ein Architekt macht den Entwurf und dann wird dieser irgendwie ausgeführt. Und im Grunde müssten wir dieses System umdrehen. Wenn jemand zum Beispiel 2000 Euro monatlich zur Verfügung hat, dann kann er davon vielleicht 400 Euro für die Miete aufbringen. An diesen 400 Euro muss man dann die Prozesse ausrichten. Und erst wenn man die Prozesse entwickelt hat, die wahrscheinlich dann mit Robotern ablaufen, damit man auf die niedrigen Kosten kommt, wird zum Schluss das Produkt definiert. Man muss sich fragen: Was können sich die Leute leisten? Mit welchen Prozessen kann ich das Ziel erreichen und wie wird dann das Produkt aussehen? Das heißt, wir müssen die Prozesse umdrehen – reverse engineering.
Werden da die Architekten mitziehen?
Wahrscheinlich erst mal nicht. Die Architekten werden wahrscheinlich sagen: „Das geht ja nicht, wir machen doch Unikate.“ Aber schauen Sie sich doch mal die Baumaterialien an. Die sind alle standardisiert – die Ziegelsteine, die Betonfertigteile, die Stahl-Profile. Entscheidend ist, wie sie kombiniert werden. Und jetzt schauen Sie sich mal die Häuser in den Städten oder den Vorort-Siedlungen an, die in den vergangenen Jahrzehnten gebaut wurden. Die sehen oft so langweilig aus. Die hätte man mit Fertigteilen machen können, vielleicht sogar mit Raumzellen. Gerade mal fünf bis zehn Prozent der Fassade oder des Erscheinungsbilds sind individuell. Ich frage mich, was man von der jetzigen Architektur in 100 Jahren oder 200 Jahren noch besichtigen wird. Ob das so sein wird wie bei den gotischen Kathedralen, die wir heute noch bewundern, das ist fraglich. Denn die Qualität ist nicht besser geworden in der modernen Architektur.
Und was ist mit denen, die mehr Geld für ein Haus ausgeben können?
Das kann man wieder mit der Automobilindustrie vergleichen. Der Volkswagen-Konzern hat für seine verschiedenen Marken wie Audi, VW, Porsche oder Skoda eine gemeinsame Plattform. Im Werk in Bratislava werden fünf Marken in derselben Fabrik gebaut. Wer eher weniger Geld ausgeben möchte, der fährt eben einen Skoda. Und ein anderer mit mehr Geld bekommt halt einen Porsche Cayenne. Das, was quasi oben drauf kommt, ist dann beim Porsche ein bisschen besser. Das Make up außenrum. Vielleicht hat er auch einen tolleren Motor. Aber die Plattform ist die gleiche. So kann man das auch beim Bauen machen.
Professor Thomas Bock hat an der TU München den Lehrstuhl für Baurealisierung und Robotik inne.
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