Das Startup Yuri sieht sich als Spedition inklusive Labor. Das Ziel: das Weltall. Yuri entwickelt kleine Bio-Reaktoren, mit denen Zellkulturen oder andere biologische Experimente hauptsächlich auf die Internationale Raumstation gebracht werden. Dabei kümmert sich das Unternehmen für seine Kunden auch um die gesamte Bürokratie sowie die Kommunikation mit der NASA oder den anderen Raketenstart-Organisationen. „Das alles machen wir fünf bis zehn Mal günstiger, als das sonst üblich ist“, sagt Mitgründer Mark Kugel. Im Interview erklärt er, warum das All das bessere Labor ist, wieso der Weltraum zur Produktionsstätte wird und wie sich dank Yuri Tierversuche verhindern lassen könnten.
Herr Kugel, Sie bezeichnen Yuri als eine Art Spedition fürs All. Wer nutzt denn eine solche Spedition?
Unsere Kunden lassen sich in drei Gruppen aufteilen. Das sind zum einen klassische Raumfahrtagenturen wie die NASA oder die ESA in Europa. Diese vergeben staatliche Aufträge, um ihre Grundlagenforschung effizient ins All zu bringen. Die zweite Gruppe sind Forschungsinstitute oder Universitäten – zum Beispiel die University of Technology in Sydney, die UCLA in Kalifornien oder die Charité in Berlin. Zur dritten Gruppe zählen kommerzielle Biotech- oder Pharmafirmen wie zum Beispiel GlaxoSmithKline, die wir 2020 ins All gebracht haben.
Und welche Experimente werden dann im Weltall durchgeführt?
Ein Forscher in Sydney beispielsweise hat sich angeschaut, ob Krebszellen in Schwerelosigkeit schneller absterben. Bei einem Experiment der UCLA ging es um das Wachstum von neuronalen Stammzellen. Was interessant war, da diese im All schneller gewachsen sind. Wir sind auch in Cosmic Kiss involviert – der Weltraummission des deutschen Astronauten Matthias Maurer. Da geht es unter anderem um Erkenntnisse in Bezug auf die Gesundheit von Astronauten. Bei GlaxoSmithKline ging es um Protein-Kristallisation und wie Medikamente haltbarer gemacht werden können. Das sind Themen, die wir besonders spannend finden. Wenn es um die Frage geht: Wie kann ich die Raumfahrt nutzen, um auf der Erde ein besseres Produkt zu entwickeln? Denn das ist auch unser Ansatz. Wir wollen möglichst den Menschen helfen, den sieben Milliarden auf der Erde.
Weltraumrecht ist nicht so einfach
Was sind die größten Herausforderungen, wenn man solche Experimente in den Weltraum schicken will?
Der Teufel steckt immer im Detail. Häufig geht es um vertragliche oder rechtliche Themen. Also zum Beispiel, dass wir Zellen von Australien erst mal nach Florida bekommen müssen, damit sie von dort ins All geschickt werden können. Und dann ist auch das Weltraumrecht nicht so einfach. So müsste in dem Beispiel der australische Staat teilweise haften, wenn die Zellen die ISS zum Absturz bringen würden. Dafür muss man sich dann Lösungen überlegen. Bei einem Projekt konnten wir kurzfristig nicht mit einer Rakete mitfliegen, weil die NASA ein anderes Experiment priorisierte. Das heißt, wir mussten auf den nächsten Start warten. Da ist dann die Herausforderung, dies alles logistisch zu planen. Wir übernehmen ja für den Kunden diesen ganz bürokratischen Aufwand. Doch grundsätzlich wird die Gesamtsituation besser, weil es zunehmend mehr kommerzielle Anbieter gibt. Also immer mehr Raketenfirmen und Anbieter von Kapseln. So entwickelt sich langsam ein relativ standardisierter Markt. Das hoffen wir zumindest.

Was kostet es denn eigentlich, wenn man die Dienste von Yuri in Anspruch nehmen will?
So ein zehn Zentimeter großer Würfel mit drei Bioreaktoren wiegt ein knappes Kilo. Wenn man den auf die ISS bringt, damit er dort 30 Tage bleibt, kostet dieser Service mit Rund-um-sorglos-Paket zur Zeit circa 100.000 Euro. Das ist spannend, wenn man es mit Experimenten auf der Erde vergleicht. Protein-Wachstum ist zum Beispiel gerade ein ganz großes Thema, wenn es darum geht, neue Medikamente zu entwickeln. Für ein einzelnes Kristall muss ein großes Team auf der Erde drei bis sechs Monate forschen. Das kostet etwa eine halbe Million Euro. Im All kann ich dagegen heute schon günstiger und in besserer Qualität produzieren. Mit der notwendigen Nachanalyse bin ich dann vielleicht bei 200.000 Euro. Und die Entwicklung geht noch weiter.
Das heißt?
Die Raketenstarts werden jedes Jahr günstiger. So vergrößert sich die Bandbreite an Produkten, die im All hergestellt werden und mit den Erd-Produkten konkurrieren können.
Das All als Produktionsstätte.
Richtig. Es gibt auch Firmen, die dort zum Beispiel Glasfaser produzieren wollen. Glasfaser ist ja auch nur ein Kristall, das im All besser wächst als auf der Erde. Und diese Unternehmen haben damit begonnen – wenn auch noch in seinem sehr frühen Stadium – Produktionsanlagen im Weltraum aufzubauen. Das Produkt kann dann auf der Erde für einen schnelleren Internetzugang genutzt werden. Daran arbeiten richtig gute Teams, das ist keine Science-Fiction mehr.
In der Schwerelosigkeit entsteht aus Zellen ein Mini-Organ
Sie wollen mit Yuri ja nicht nur Spediteur sein, sondern künftig auch selbst Experimente fürs All entwickeln. Wie sieht das konkret aus?
Dabei geht es zum Beispiel um 3D-Zellkulturen, die in der Schwerelosigkeit besser wachsen als auf der Erde. Das kann man sich so vorstellen: In einer Petrischale auf der Erde wachsen Zellen sehr flach, weil die Schwerkraft auf sie drückt. Im Weltraum können Zellen dagegen ohne Schwerkraft – also ohne Restriktion – wachsen. So erzeugt man einen besseren Zellklumpen. Das ist eine Art Mini-Organ, mit dem sich beispielsweise Medikamente effektiver testen lassen. Damit könnten vielleicht auch Tierversuche ersetzen werden. Wenn man so eine Zellkultur im All wachsen lässt, erhält man Antworten, die man sonst vielleicht nur von einem Tier oder gar nicht bekommen hätte. Es gibt viele Themen in der Medizin und Biologie, für die Schwerelosigkeit interessant ist.
Das heißt, Sie würden dann solche Experimente an Pharmafirmen verkaufen?
Entweder das oder wir verkaufen das Endprodukt aus den Experimenten an die Pharmafirmen. Wir könnten dann sagen: „Wir zeigen euch mit unseren Daten, dass dieses Produkt einen Mehrwert bringt. Und wenn ihr es kaufen möchtet, produzieren wir es für euch im All.”
Wie weit sind diese Pläne gediehen?
Die erste Forschung läuft auch schon seit Sommer 2021. Wir arbeiten mit einem Partnerlabor in Frankfurt, in dem auch Forscher von uns sitzen. Und wir haben vor kurzem einen Chief Scientist Officer eingestellt, der das Thema maßgeblich vorantreibt. Es gab im vergangenen Jahr schon eine Finanzierungsrunde mit Investoren – ausschließlich aus der Biotech-Branche. Denn im Space kennen wir uns aus. Aber im Bereich Biotech müssen wir noch stärker werden. Zu diesen Investoren zählt etwa Stefan Oschmann – ehemaliger CEO von Merck in Darmstadt. Das ist sehr spannend für uns. Es schadet nicht, einen Pharma-CEO an Bord zu haben, wenn man eine Pharmafirma werden will.
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