KI-Experten: Alle müssen immer lernen

Bild: Microsoft

Künstliche Intelligenz braucht Knowhow und somit qualifizierte Mitarbeiter. Voraussetzung dafür: eine lebenslange Lernkultur, die für jeden offen ist.

„Künstliche Intelligenz ist eine der wichtigsten Zukunftstechnologien überhaupt“, sagt Mohanna Azarmandi, Chief Learning Officer bei Microsoft Deutschland. Nach Meinung von Jörg Bienert, Vorsitzender des KI-Bundesverbands, ist sie einer der wesentlichen Faktoren für Wirtschaftswachstum. Und Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, sagt: „KI ist eine Schlüsseltechnologie der Digitalisierung.“

Wer also in Zukunft irgendetwas erreichen möchte, sollte sich mit Künstlicher Intelligenz auskennen. In allen Bereichen wird daher nach Leuten gesucht, auf die das zutrifft. „Der Bedarf an KI-Spezialisten ist jetzt schon groß. Und er wird weiter steigern“, erklärte Bienert auf dem TecSummit des VDE im Februar.

Bühler erwartet große Auswirkungen auf die Arbeit der Menschen. „Nahezu alle Berufsbilder werden sich durch das Zusammenspiel von Mensch und Künstlicher Intelligenz verändern. Darauf müssen sich die Beschäftigten einstellen.“

Qualifizierung macht Projekte erfolgreich

Einstellen heißt vor allem: Weiterbilden. So sind zum Beispiel 79 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass Unternehmen mehr in die Weiterbildung ihrer Beschäftigen zum Thema Künstliche Intelligenz investieren sollen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des TÜV-Verbands unter 1000 Personen ab 16 Jahren.

Eine Studie von Microsoft geht in eine ähnliche Richtung. Unternehmen mit KI-Projekten seien dann am erfolgreichsten, wenn die Qualifizierung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den gleichen Stellenwert wie Investitionen in intelligente Technologien hat, heißt es in der Untersuchung. Für diese wurden eine halbe Million englischsprachiger Beiträge ausgewertet und zusätzlich Interviews mit rund 12.000 Fach- und Führungskräften aus 20 Ländern geführt.

Laut Studie braucht es eine Lernkultur, die diese Qualifizierungsmaßnahmen trägt. Doch was macht diese aus? Nach Meinung von Azarmandi ist vor allem die Erkenntnis wichtig, dass die digitale Transformation eine dauerhafte Veränderung ist. „Wir brauchen eine lebenslange Lernkultur in Unternehmen, die es allen ermöglicht, sich stetig weiter zu qualifizieren“, so die Microsoft-Managerin. „Lernzeit muss Arbeitszeit werden.“

Laut Azarmandi müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass wir heute schon alles für unsere Jobs von morgen wissen. „Das ist schlichtweg utopisch, weil zukünftig Jobs entstehen werden, die wir uns heute – zumindest teilweise – noch nicht vorstellen können.“

Im Wandel liegt die Kraft

Für diese Lernkultur werden alle gebraucht. Sämtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einem Unternehmen haben nach Meinung von Azarmandi das Potenzial, die Zukunft gestalten. Um diese Potenziale zu fördern, müssten Unternehmen alte Denkmuster durchbrechen und Programme schaffen, die allen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen helfen, sich zu entwickeln. „Auf diese Weise entsteht eine Kultur der permanenten Veränderung.“

Wie sich die gesamte Belegschaft in eine solche Kultur einbeziehen lässt, zeigt das Beispiel Siemens. Dort gibt es ein internes Netzwerk, in dem jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin – unabhängig von seiner oder ihrer Position – eigene Digitalisierungsideen vorstellen kann. Wenn die Idee gut ankommt, entsteht daraus ein Prototyp.

Demokratisiertes Machine Learning

Beim Thema Künstliche Intelligenz müssen allerdings verschiedene Gedankenwelten zusammengebracht werden. Zum einen braucht es den KI-Spezialisten, der sich mit der Technologie auskennt. Zum anderen ist der Experte aus dem Fachbereich gefragt. Denn erst mit dessen spezieller Expertise und auf Basis umfangreicher Daten könnten KI-Modelle trainiert und angewendet werden, sagt Azarmandi. „Eine Herausforderung besteht also darin, bereits existierendes Fachwissen mit neuen KI-Fähigkeiten zu verbinden.“ Das müsse sich in den Qualifizierungsmaßnahmen widerspiegeln.“

Genauso sieht das auch Tobias Gaukstern, Vicepresident Industrial Analytics beim Unternehmen Weidmüller. Ein Data Scientist könne nicht allein eine Machine-Learning-Lösung bauen. „Denn nur die Fachanwender können die Daten interpretieren“, so Gaukstern ebenfalls auf dem TecSummit des VDE. Dieses Domain-Wissen habe entscheidenden Einfluss auf die Qualität auf die Lösung.

Sein Unternehmen möchte die Abhängigkeit der Fachanwender von den Data Scientists reduzieren. Daher hat Weidmüller – eigentlich ein Spezialist für elektrische Verbindungstechnik – die Software AutoML entwickelt. Mit der sollen auch Anwender aus den Fachbereichen in kurzer Zeit eigene Machine-Learning-Modelle erstellen können. Laut Gaukstern kann ein Domain-Experte in weniger als einer Stunde ein Modell bauen, das dem eines Data Scientist nahe kommt. „Wir wollen Machine Learning demokratisieren“, so Gaukstern.

Diversität hilft gegen Vorurteile

Demokratisierung verlangt Azarmandi auch in anderer Hinsicht. „Damit wirklich alle von den Chancen profitieren, die KI uns bietet, müssen die Teams, die KI-Anwendungen entwickeln, so divers sein wie die Gesellschaft, in der wir leben“, sagt die Expertin von Microsoft. Nur so könnten möglichst viele Perspektiven eingenommen und keine Vorurteile reproduziert werden. Damit spielt sie etwa auf Fälle an, in denen der Einsatz von Algorithmen zu diskriminierenden Ergebnissen geführt hat.

Laut Bienert beschäftigt sich auch der KI-Bundesverband mit Leitlinien im ethischen Kontext für die Künstliche Intelligenz. Allerdings sollte man das Thema seiner Meinung nach nicht zu hoch hängen. Ethische Fragestellungen seien nur in einem kleinen Bereich der KI relevant. „Das Problem ist, dass viele ihr Wissen über KI aus ‚Matrix‘ oder ähnlichen Filmen haben.“

Immerhin: Bei dem Nutzen, den die Künstliche Intelligenz bringen kann, sind wir nicht auf Fiktion angewiesen. Denn in ihren Grundzügen sei die Technologie schon längst in der Gegenwart angekommen, so Azarmandi. „Daher brauchen wir KI-Fachkräfte quer durch alle Branchen, Unternehmensgrößen und Organisationseinheiten hinweg.“

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