Hilfe aus dem Drucker

Ventile für Notfallbeatmungsmasken aus dem 3D-Druck. Bild: Protolabs

Krisen führen dazu, dass bestimmte Entwicklungen beschleunigt werden, die bereits vorher in Gang waren. Das könnte jetzt auch auf den 3D-Druck zutreffen. Denn in Zeiten von Corona können all die Verfahren, die sich unter diesem Begriff zusammenfassen lassen, ihre Stärken ausspielen.

Mithilfe von 3D-Druck oder additiver Fertigung lassen sich Produkte schnell herstellen, wenn sie benötigt werden – zum Beispiel Ersatzteile. „Wenn bei einem Kunden eine Maschine still steht und er schnell ein Verschleißteil benötigt, dann können wir dieses über Nacht drucken und er kann wieder weiter arbeiten“, berichtet Tom Krause. Er ist Leiter des Geschäftsbereichs Additive Fertigung bei igus, einem Hersteller von Maschinenkomponenten aus Kunststoff wie zum Beispiel Gleitlagern und Spezialleitungen. Mit der 3D-Druck-Technik könne man flexibel produzieren. Und man müsse nicht darauf warten, die Werkzeuge zur Herstellung eines benötigten Bauteils erst mal zu beschaffen, so Krause.

Produktion innerhalb eines Tages

Damit ist die additive Fertigung prädestiniert für die Anforderungen, die es jetzt gerade in der Medizintechnik gibt. Der Bereich war bereits vor Corona ein wichtiges Einsatzgebiet für den 3D-Druck. Doch nun lässt sich die Technologie für die überall entstandenen Engpässe nutzen.

„Wir arbeiten mit Behörden und Organisationen weltweit zusammen, um die dringende Herstellung kritischer Komponenten zur Bekämpfung der Krankheit zu unterstützen“, sagt etwa Daniel Cohn, Geschäftsführer des 3D-Druck-Dienstleisters Protolabs in Deutschland. Wichtige medizinische Komponenten könnten bereits innerhalb eines Tages gefertigt werden.

Ein Beispiel sind Ventile von Notfallbeatmungsmasken. Protolabs hat 100 dieser Teile per 3D-Druck hergestellt und an italienische Krankenhäuser geliefert, als dort einen Mangel an Beatmungsmasken entstand.

Auch 3D-Druck-Dienstleister Protiq stellt sich auf den steigenden Bedarf aus der Medizintechnik ein. „Der 3D-Druck eignet sich ideal für medizinische Zwecke, da eine große Auswahl an Materialien zur Verfügung steht und zudem komplexe Geometrien mit sehr geringem Zeitaufwand gefertigt werden können“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Man sei jederzeit in der Lage, Bauteile zu produzieren, die bei der Behandlung einer Corona-Infektion unterstützen. Dazu gehörten zum Beispiel Venturi-Düsen, die die Beatmung von Patienten mit verringerter Lungenleistung erheblich erleichtern.

Drucker-Netzwerk fertigt Gesichtsschutz

In Nürnberg kommen Gesichtsschutzmasken aus dem 3D-Drucker. Hersteller ist in diesem Fall die Technische Hochschule Nürnberg. Die Masken dienen dazu, Mitarbeiter im Krankenhaus zu schützen, wenn diese sehr nahe an einem Corona-Patienten arbeiten. Für die Produktion ist an der TH Nürnberg im Schichtbetrieb ein Netzwerk aus über 20 Druckern in acht Fakultäten im Einsatz. Die Hochschule liefert insgesamt 1000 Gesichtsvisiere an das Klinikum Nürnberg, zusätzliche 100 Stück gehen an das Bayerische Rote Kreuz in Nürnberg.

Makers versus Virus

Mit Gesichtsschutz beschäftigt sich in der Corona-Krise auch NewTec, ein Anbieter von Sicherheitstechnik. Mit den Geräten, mit denen das Unternehmen normalerweise Prototypen seiner Produkte herstellt, werden nun Rahmen für Gesichtsschilde gedruckt. Für Mitarbeiter, die privat einen 3D-Drucker besitzen und damit Maskenhalterungen herstellen, stellt NewTec das nötige Material kostenlos zur Verfügung.

Das Unternehmen beteiligt sich mit seiner Aktion an der MakersVsVirus-Bewegung. In dieser haben sich Freiwillige aus der 3D-Druck-Szene – mittlerweile 6.000 – zusammengetan, um mit ihren Geräten Gesichtsschilde herzustellen. Die Initiative schätzt ihre mögliche Produktionskapazität auf über 10.000 Masken deutschlandweit täglich.

3D-Druck-Knowhow für Krankenhäuser

Ultimaker mischt ebenfalls mit im Kampf gegen das Virus. Der Hersteller von 3D-Druckern stellt Knowhow und eigene Kapazitäten bereit. So können Krankenhäuser benötigte Teile, für die es bereits 3D-Druckdesigns gibt, in den Druckzentren von Ultimaker herstellen lassen.

Falls ein Teil benötigt wird, für das ein solches Design noch nicht existiert, stehen Ingenieure und weitere Experten von Ultimaker bereit, um bei der Entwicklung und Konstruktion zu helfen. Anschließend wird das Teil im nächstgelegenen 3D-Druckzentrum hergestellt und schnellstmöglich dem Krankenhaus geliefert. Nach Prüfung und Genehmigung durch das Krankenhaus stehe das Teil dann für die weitere Herstellung im 3D-Druck zur Verfügung, heißt von Seiten des Unternehmens.

3D-Druck kein Allheilmittel

Doch 3D-Druck ist kein Allheilmittel. Stellt man die Technologie anderen Verfahren gegenüber, haben diese in vielen Fällen nach wie vor die Nase vorn. So fertigt etwa Cirp, ein Spezialist für Additive Fertigung und Rapid Tooling, gemeinsam mit Fazua, einem Hersteller von Fahrrad-Elektroantrieben, ein Gesichtsvisier – und zwar per Spritzgussverfahren. Man habe von Anfang an mit den Spezialisten von Cirp diskutiert, ob die nötigen Mengen im 3D-Druck oder mit Hilfe eines Spritzgießwerkzeugs produziert werden könnten, berichtet Johannes Biechele, Geschäftsführer von Fazua. „Doch schnell wurde klar: Um den akuten Bedarf innerhalb kurzer Zeit zu bedienen, ist 3D-Druck für das zentrale Bauteil des Visiers zu langsam“. In diesem Fall diente der 3D-Druck daher nur dazu, Prototypen herzustellen.

Rechtliche Fragen stehen im Weg

Die Technik ist also vorhanden, um relativ schnell dringend benötigtes medizinisches Material herzustellen. Doch häufig stehen rechtliche Fragen der raschen Hilfe im Weg. Dieser Auffassung sind zumindest die Verantwortlichen von Cecimo, dem europäischen Verband der Werkzeugmaschinenindustrie. Unternehmen aus dem Bereich der additiven Fertigung hätten schon ihre Hilfe angeboten, heißt es in einer Pressemitteilung. Doch viele hätten darauf hingewiesen, dass verschiedene regulatorische Anforderungen ihren Beitrag möglicherweise blockieren könnten.

„Ich glaube, dass der Additive-Manufacturing-Sektor sofort Lösungen bereitstellen kann, die Krankenhausmitarbeiter inmitten dieser Notlage unterstützen können“, sagt Filip Geerts, Generaldirektor von Cecimo. „Es ist daher im Interesse aller, die regulatorischen Fragen zu klären, um schnell voranzukommen.“

Welche Regularien dabei gemeint sind, wird in den Forderungen deutlich, die der Verband an die politischen Entscheider stellt. Dazu zählen unter anderem:

  • eine vorübergehende Befreiung von den Anforderungen der Richtlinie über Medizinprodukte und Produkthaftung, die es Unternehmen aus der Additiven Fertigung erschwert, auf die außerordentliche Nachfrage nach Geräten im Gesundheitssektor zu reagieren.
  • eine vorübergehende Genehmigung, für wesentliche Lieferungen und Dienstleistungen Patente ohne Zustimmung der Patentinhaber zu nutzen.
  • eine enge Zusammenarbeit mit den Zollbehörden, um Genehmigungen für Im- und Exporte von AM-Teilen und/oder 3D-Druck-Hardware zu beschleunigen und reibungslose Lieferungen von Medizinprodukten und/oder 3D-Druck-Hardware innerhalb des EU-Binnenmarktes zu gewährleisten

Deutschland hinkt noch hinterher

Insgesamt könnte die aktuelle Situation also dazu führen, dass das Thema 3D-Druck hierzulande vorankommt. Derzeit hinkt Deutschland beim Einsatz entsprechender Technologien noch etwas hinterher. Zwar nutzen bereits 63 Prozent der deutchen Firmen 3D-Druck, so eine Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Damit liegt Deutschland allerdings unter dem internationalen Durchschnitt von 65 Prozent. Führend sind Südkorea und China, wo 81 Prozent beziehungsweise 78 Prozent der Unternehmen auf 3D-Druck setzen. Aber auch kanadische Firmen seien mit 77 Prozent schon deutlich weiter, heißt in der Studie.

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