Additiv und innovativ: 3D-Druck braucht Ideen

„Außer irgendwelchen Yoda-Köpfen ist in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt, was mit 3D-Druck alles möglich ist“, sagte Frank Schaeflein, Senior Technical Consultant beim 3D-Druck-Spezialisten Stratasys, auf einer Podiumsdiskussion auf diesjährigen Hannover Messe. Die Technik ist derzeit besonders angesagt. Doch die meisten Menschen dürften dabei eher an Nerds denken, die in ihrem Keller sitzen und mit Filament-Druckern experimentieren – etwas despektierlich auch als intelligente Heizklebepistole bezeichnet. Ergebnisse sind dann die besagten Yoda-Köpfe. Oder Vasen für den Geburtstag der Oma.

„Viele Menschen wissen nicht, dass es außer den kleinen Tisch-Druckern auch große industrielle Maschinen gibt, mit denen man High-Performance-Teile herstellen kann“, sagte Stefan de Groot , Technologieleiter beim 3D-Druck-Dienstleister Protiq auf der selben Podiumsdiskussion. Kaum einem Bürger der Stadt Ulm sei bewusst, dass in der dortigen Straßenbahn zum Beispiel die Armlehnen der Schaffner additiv gefertigt sind, so Schaeflein.

Als additive Fertigung wird der 3D-Druck im industriellen Bereich bezeichnet. Und die Armlehnen für Straßenbahnschaffner sind nur ein Beispiel von vielen. Auch in Flugzeugen von Airbus oder Fahrzeugen von Daimler sind Bauteile eingebaut, die mithilfe der Technologie produziert werden.

Anbieter denken ganzheitlicher

Die Öffentlichkeit mag also noch wenig Ahnung haben. Die Branche selbst weiß sehr wohl, was Sache ist. Das merkt man, wenn man über die 3D-Druck-Messe Formnext in Frankfurt geht. Die Anbieter denken mittlerweile ganzheitlicher. Schließlich spielen in der additiven Fertigung mehrere Faktoren eine Rolle. Neben der Drucktechnik selbst ist auch die Auswahl des passenden Pulvers entscheidend – ebenso wie die Nachbearbeitung der Produkte sowie Verfahren, um deren Qualität zu kontrollieren.

Was noch fehlt sind Ideen. Der 3D-Druck eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten bei Design und Konstruktion. Zum Beispiel können bewegliche Teile in einem Vorgang gedruckt werden. Auch Formen, die aus der Natur entlehnt sind, werden möglich. Und diese neuen Potenziale müssen genutzt werden.

Wenn ein Kunde zu ihm komme, um ein schon entwickeltes Bauteil jetzt additiv herzustellen, empfehle er immer, zunächst einen Schritt zurück zu gehen, sagt Dennis Herrmann, CEO des 3D-Druck-Dienstleisters Q.big 3D. Was er damit meint: „Wir fragen den Kunden dann: ‚Welche Funktion hat das Bauteil?‘, Wo wird es eingesetzt?‘“. Dann lässt sich klären, wie die Vorteile des 3D-Drucks sinnvoll eingesetzt werden können. Vielleicht bieten sich bei einem bestimmten Produkt neue Möglichkeiten in der Konstruktion. Möglicherweise ist die additive Fertigung in dem konkreten Fall aber auch gar nicht die richtige Technologie.

Nerds mit Filament-Druckern denken innovativ

Entscheidend ist es also, schon additiv zu denken. Und wenn es um neue Ideen geht, sind die Nerds mit ihren Filament-Druckern wieder heiß begehrt. Aus dieser Szene komme die innovative Denke, die benötigt werde, so die Aussagen bei vielen Experten auf der Messe. Sie liefert auch das Personal, das für die additive Fertigung gebraucht wird. Das ist ein Grund, weshalb Dienstleister wie Q.big 3D nicht über fehlende Fachleute klagen.

Bei all der Euphorie über die Möglichkeiten des 3D-Drucks sollte aber auch klar sein: Die additive Fertigung wird herkömmliche Verfahren nicht komplett ersetzen. Dabei sind sich Experten wie Schaeflein oder de Groot sicher. „Nicht alles, was technisch machbar ist, muss auch sinnvoll sein“, erklärt Schaeflein. „Das Eisengießen gibt es seit 5000 Jahren. Und es ist noch immer nicht ersetzt worden. Weil es eben Sinn ergibt.“

Es geht also darum, konventionelle Produktionsmethoden mit denen der additiven Fertigung zu kombinieren – etwa wenn Druckformen für das Eisengießen per 3D-Druck hergestellt werden. Neu und alt ergänzen sich. Vor 5000 Jahren wusste ja auch noch niemand, wer Yoda ist.

Impressionen von der Formnext gibt es hier: https://barrytown.blog/2019/11/22/3d-druck-im-top-design/

Bild: Mesago/Mathias Kutt

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