„Wer glaubt, dass es eine Technologie gibt, mit der sich weltweit eine Milliarde Elektrofahrzeuge betreiben lassen, und die ohne jegliche Auswirkung wie Umweltbelastung oder Ressourcenverbrauch zu haben ist, der täuscht sich“, sagt Professor Maximilian Fichtner, stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm (HIU). Auch in der E-Mobilität werden endliche Ressourcen verbraucht oder problematische Materialien verwendet.
Bei den derzeit dominierenden Lithium-Ionen-Batterien etwa stellt sich die Frage, wie lange die Rohstoffe Lithium und Kobalt noch verfügbar sind. Bei steigender Nachfrage nach E-Fahrzeugen könnte der weltweite Bedarf an Kobalt ab 2021 oder 2022 nicht mehr gedeckt werden. Außerdem ist Kobalt giftig, teuer und wird teilweise durch Kinderarbeit gewonnen.
Brennstoffzellen benötigen Platin als Katalysator – ein seltenes und ebenfalls teures Metall. Und bezüglich der Abbaubedingungen gerät man in eine ähnliche Diskussion wie beim Kobalt.
Wer auf den Einsatz andere Materialien hofft, benötigt noch Geduld. Die Forschung nach Alternativen zur Lithium-Ionen-Batterie etwa steht gerade erst am Anfang.
Unter dem Strich heißt das: Einfach nur Fahrzeuge mit anderen Antrieben auszustatten und allein dadurch den Verkehr umweltschonender zu machen, funktioniert nicht. Stattdessen sind Konzepte gefragt, welche die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen reduzieren.
Die Digitalisierung ist dabei ein entscheidender Faktor, wie moderne Mobilitätskonzepte zeigen.
Zu diesem Schluss kommt auch die Plattform Lernende Systeme, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurde und auf der sich Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft austauschen.
In einem gerade veröffentlichten Bericht, den die Arbeitsgruppe “Mobilität und intelligente Verkehrssysteme” vorgelegt hat, heißt es, dass Künstliche Intelligenz einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten könne.
“Weniger Staus, Unfälle und Emissionen – KI kann uns dabei unterstützen, diese Ziele für die Mobilität der Zukunft zu erreichen“, sagt Christoph Peylo, Leiter des Bosch Center for Artificial Intelligence sowie Co-Leiter der Arbeitsgruppe. „Um diesem Schritt näher zu kommen, müssen Transportmittel und Verkehrsinfrastrukturen intelligent vernetzt sein.” Sensoren, Kameras sowie intelligente Infrastrukturen und Plattformen sollen Verkehrsdaten erfassen, verwalten und teilen. Mit Verfahren des maschinellen Lernens sollen diese dann verarbeitet werden.
Das muss zwangsläufig noch nicht heißen, dass weniger Fahrzeuge unterwegs sind. Aber die Autoren des Berichts haben immerhin auch den Schienenverkehr im Visier. Mit automatisierten und fahrerlosen Züge könnte das Schienennetz besser ausgelastet und an den jeweiligen Kundenbedarf angepasst werden. „Mit intelligenten Assistenzsystemen könnten in einem bedarfsorientierten Schienenverkehr auch stillgelegte Strecken mit kleinen hochautomatisierten Schienenfahrzeugen wiederbelebt werden“, heißt es weiter. Bahnfahrer werden das mit Freude hören.
Um die Verkehrswende zu verwirklichen, schlägt die Arbeitsgruppe eine übergreifende Mobilitätsplattform vor, welche die Angebote unterschiedliche Dienstleister sowie die Informationen aus den Verkehrsinfrastrukturen bündelt. Die Arbeitsgruppe will eine solche Plattform selbst konzipieren. „Sie soll der Ort sein, an dem die Informationen von Mobilitätsanbietern, -teilnehmern und Infrastrukturen zusammenlaufen. Die verschiedenen Stakeholder können aus den vernetzten Daten zukunftsfähige und nachhaltige Mobilitätsformen und -produkte ableiten”, so Peylo.
Die Idee ist nicht neu. Doch bisher scheiterte sie daran, dass alle relevanten Player auf ihren Datentöpfen sitzen und diese nicht freigeben. Die Erfahrung machte zum Beispiel Professor Florian Matthes vom Living Lab Connected Mobility an der TU München. Er war an einem Projekt mehrerer Informatiklehrstühle beteiligt. Dessen Ziel war es, für München eine Plattform zu entwickeln, auf der den Bürgern digitale Mobilitätsdienste über alle Fortbewegungsmittel hinweg angeboten werden sollten. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd. Eine entsprechende Plattform kam nicht zustande.
„Es herrscht in Deutschland noch ein sehr klassisches Denken“, erklärt Matthes. Jeder mache sein eigenes Ding. Städtische Verkehrsverbunde wollten lieber auf eigene Services setzen, statt mit anderen zusammenzuarbeiten. „Ähnlich wie die Deutsche Bahn, die zwar mit dem DB Navigator schon eine Plattform für End-to-End-Dienste bietet, die sich jedoch nur auf eigene Services bezieht.“
Auch die Automobilhersteller würden nicht an einem Strang ziehen, sondern sich noch immer vor allem als Konkurrenten sehen. Laut Matthes stellten daher weder diese Firmen noch der städtische Verkehrsverbund seinem Projekt ihre Daten bereit, um eine übergreifende Plattform aufzubauen.
Teilen wird also künftig nicht nur von den Verkehrsteilnehmern verlangt werden, wenn diese gemeinsam etwa Busse, Taxis oder Privatautos nutzen sollen. Auch die Anbieter müssen Teil der Sharing Economy werden, wenn die mobile Zukunft zur Gegenwart werden soll.
