Roboterjournalismus – als ich diesen Begriff zum ersten Mal gehört habe, dachte ich, das ist ein Gag. Das muss man nicht ernst nehmen. Software, die Artikel schreibt. Ich weiß, dass sich vieles automatisieren lässt. Aber journalistische Arbeit?
Doch mittlerweile lassen tatsächlich Verlage einen Teil ihrer Texte von IT-Programmen erstellen. Und der Gedanke hat sogar etwas Verlockendes. Es gibt Textformate, deren Spaßfaktor gering ist. Dazu gehören etwa Produktmeldungen. Wenn die eine Software übernehmen könnte – ich hätte keine Einwände.
Dann erinnere ich mich an die vergangene Pressekonferenz. Ich denke an den Kollegen, der sich zu Wort gemeldet hat. Und der exemplarisch für eine ganz besondere Spezies unseres Berufsstandes steht. Bevor er nämlich seine Frage stellt, berichtet er von seiner langen Erfahrung bezüglich des Themas, um das es gerade geht. Das kann Machine Learning sein oder E-Mobilität oder Robotik. Es ist egal, denn auf jeder Pressekonferenz findet sich ein solcher Kollege.
Nachdem dieser dann die vergangenen zehn Jahre seines Berufslebens sowie sein Knowhow in Sachen Machine Learning, E-Mobilität oder Robotik dargelegt hat, kommt – keine Frage. Stattdessen verkündet er ein Statement, ein Wort zur aktuellen Marktentwicklung oder zum Stand der Technik. In jedem Fall eine Anmerkung, welche die eigene Fachkompetenz unter Beweis stellt.
Da solche Journalisten rundum informiert sind, beantworten sie gerne auch die Fragen ihrer Kollegen – selbst wenn diese gar nicht an sie gerichtet sind. Dass man nicht von ihnen, sondern vom CEO der Firma XY ein Statement zum Thema Machine Learning, E-Mobilität oder Robotik hören möchte, ist da zweitrangig.
Eine Text-Software macht das nicht. Sie hat nicht das Verlangen ihr jahrzehntelang gesammeltes Wissen – “ich schreibe seit 20 Jahren über IT” – zur Schau zu stellen.
Sie hat auch keinen Appetit auf Fingerfood. Sie stürmt nicht nach der Pressekonferenz ans Buffet, als stünde der nächste Krieg inklusive Jahrhundertwinter kurz bevor. Nur um sich dann lautstark darüber zu beschweren, dass die Datteln im Speckmantel nicht schmecken oder die Mini-Frühlingsrollen zu trocken sind.
Virtuelle Journalisten greifen während der Pause nicht mit beiden Händen in die Schälchen auf dem Kaffee-Buffet, um sich ihre Jackettachen mit Keksen oder Mini-Schokoriegeln vollzustopfen. Auch Süßkram kann einen durch die kommende Hungerperiode bringen.
Manchmal wäre ein virtueller Kollege also ein Segen. Denn eine Software mit Profilneurosen gibt es noch nicht – denke ich mir, während ich eine vertrocknete Frühlingsrolle aus dem Jacket ziehe.

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