Wie viel Maschine will der Mensch?

Bild: Bosch

Künstliche Intelligenz? Ja, bitte – aber nicht überall. Menschen haben genaue Vorstellungen, wo die Technologien eingesetzt werden sollten und wo nicht. Und je informierter sie sind, umso größer ist die Akzeptanz.

Künstliche Intelligenz hilft uns im Alltag ja bereits beim Beantworten vieler Fragen. Und es werden künftig noch viele weitere hinzu kommen. Eine Frage können aber nur die Menschen selbst beantworten. Und zwar, wo uns KI überhaupt helfen soll. Wenn man den großen Technikkonzernen glaubt, dann lautet die Antwort darauf wie selbstverständlich: überall. Schließlich werden mittlerweile die unterschiedlichsten Software-Systeme mit entsprechenden Funktionen ausgestattet – ob wir davon wissen oder nicht. Und ob wir es wollen oder nicht.

Doch für die Menschen gilt diese Antwort offenbar nicht. Das legen zumindest zwei Studien nahe. Zu diesen zählt der KI-Zukunftskompass, für den das Marktforschungshaus GIM im Auftrag von Bosch 1000 Deutsche ab 18 Jahren befragt hat.

Dabei kam heraus, dass 53 Prozent der Deutschen den Einsatz von KI grundsätzlich erst mal positiv sehen. Desweiteren wurde gefragt, wo sie diesen Einsatz bevorzugen. Und da zeigt sich, dass 60 Prozent eine vermehrte Nutzung der entsprechenden Technologien im industriellen Umfeld befürworten.

In anderen Bereichen, wo persönliche Kontakte eine große Rolle spielen, sind die Zustimmungsraten allerdings deutlich niedriger. Das gilt etwa für die Krankenpflege (40 Prozent) und die Anlagenberatung (31 Prozent). Auch bei juristischen Entscheidungen oder der Vorauswahl von Kandidaten für eine offene Stelle vertrauen die Deutschen einem Menschen deutlich mehr als einer Maschine.

Ein Ergebnis der Bosch-Studie: In Bereichen mit persönlichen Kontakten vertrauen die Menschen eher weniger der Künstlichen Intelligenz
Ein Ergebnis der Bosch-Studie: In Bereichen mit persönlichen Kontakten vertrauen die Menschen eher weniger der Künstlichen Intelligenz. Grafik: Bosch

Auch IT-Security-Anbieter Kaspersky hat 1000 Deutsche befragen lassen. Diese Studie, die von Arlington Research durchgeführt wurde, konzentrierte sich allerdings auf Bundesbürger im Alter von 16 bis 30 Jahren. Die übergeordnete Fragestellung lautete: Wie könnte künstliche Intelligenz in Zukunft unsere Welt verändern?

Die Einschätzung der jungen Leute ist ähnlich, wie die der Befragten aus der Bosch-Studie. 54,6 Prozent sind der Meinung, dass KI weitreichende Auswirkungen auf die Industrie haben wird, weil sich damit Produktionsprozesse optimieren lassen.

Wenn es aber eher um zwischenmenschliche Berührungspunkte wie in Bildung, Pflege oder Politik gehe, zeichne sich ein anderer Trend ab, berichtet Anne Mickler, Corporate Communications Manager für die deutschsprachige Region bei Kaspersky. In diesen Bereichen würden sich die Befragten „einen geringeren Nutzwert von KI versprechen oder wünschen“.

KI braucht klare Leitlinien

Gerade auf solchen Gebieten werden auch ethische Fragestellungen relevant. Studien zeigen, dass der Einsatz von KI dort diskriminierend wirken kann – wie etwa bei der Auswahl von Job-Kandidaten in der Personalarbeit.

„KI-Anwendungen werden sich nur dann durchsetzen, wenn Kunden und Anwender ihnen vertrauen“, sagt Michael Bolle, Technik- und Digital-Chef bei Bosch. Deshalb brauche man klare, moralisch begründete Leitlinien – nicht nur in Deutschland, sondern auf europäischer Ebene. Der Mensch müsse immer die Kontrolle über die KI behalten.

Die Befragten in der Bosch-Studie sehen das genauso. Rund zwei Drittel wünschen sich, dass auf internationaler Ebene über die rechtlichen und ethischen Maßstäbe beim Einsatz von KI entschieden wird. Lediglich 35 Prozent setzen auf eine nationale Strategie. Und 85 Prozent der Befragten fordern, dass der Mensch die letzte Instanz beim Einsatz von KI sein müsse.

In diesem Blog haben sich Anfang des Jahres Experten aus Industrie und Wissenschaft dazu geäußert, wie sinnvoll sie Regeln für die KI halten. Die Meinungen sind durchaus kontrovers. Außerdem beschäftigt sich eine ganze Reihe von Initiativen mit dem Thema. Die Bertelsmann Stiftung hat beispielsweise mit dem Think Tank iRights.Lab neun formale Kriterien definiert, die bei der Entwicklung vom algorithmischen Systemen beachtet werden sollen. Ziel ist, sicherzustellen, dass Maschinen ethisch korrekt handeln.

Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) führt ein europäisches Netzwerk mit der Bezeichnung HumanE-AI-Net an, das eine menschzentrierte KI mit ethischen Werten entwickeln will. Beteiligt sind Forschungszentren, Universitäten und Industrieunternehmen. „Angestrebt wird eine KI, die weiß, was der Mensch gerade braucht und ihm bei der Erfüllung seiner Aufgaben hilft“, heißt es in einer Pressemeldung. Dabei wird ebenfalls betont, dass der Mensch stets die Kontrolle behalten soll. Es ist von einer Synergie von Mensch und Maschine die Rede, die für Vertrauen in die Technologie sorgen soll.

Technikaffine Menschen sehen KI positiver

Spannend wird sein, wie weit diese Synergie gehen soll. In der Kaspersky-Umfrage glaubt immerhin ein Viertel der befragten jungen Leute, dass die KI im Jahr 2030 einer Kombination aus Mensch und Maschine ähneln wird.

Ob eine solche Vorstellung das Vertrauen in die Technik erhöht, ist fraglich. Grundsätzlich ist aber wichtig zu wissen, was mit KI möglich ist und was nicht – und dieses Wissen in der Bevölkerung zu verbreiten.

Der „Bosch KI-Zukunftskompass“ zeigt nämlich auch: Je ausgeprägter die Kenntnisse im Bereich KI sind, desto höher ist ihre Akzeptanz in der Bevölkerung. 81 Prozent aller Befragten, die sich selbst als technologieaffin einschätzen und nach eigenem Dafürhalten über fundiertes Wissen in dem Bereich verfügen, bewerten KI als grundsätzlich positiv. In der Gruppe derjenigen, die sich selbst als wenig techniknah und eher uninformiert einschätzen, liegt die Zustimmung bei lediglich 27 Prozent.

„Chancen und Risiken jeder KI müssen offen und faktenbasiert diskutiert werden“, so Bolle. KI müsse auf den Lehrplan der Schulen – zumindest als freiwilliges Zusatzangebot.

Und für alle Technikanbieter, die das Thema KI vorantreiben, sollte das auch heißen: Klärt die Menschen bitte auf, bevor ihr Fakten schafft.

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